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Zur (angeblichen) Impfpflicht ab 16. März 2022

Was gilt und was müssen Arbeitgeber jetzt tun?
Aktuelles
06.04.2022

Zur (angeblichen) Impfpflicht ab 16. März 2022

Was gilt und was müssen Arbeitgeber jetzt tun?

Seit dem 16.03.2022 ist die sog. einrichtungsbezogene Impfpflicht in Kraft. Inwieweit eine allgemeine Impfpflicht eingeführt werden wird, ist augenblicklich noch völlig ungewiss. So richten sich die Augen auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG), denn dort ist in § 20a IfSG die besagte einrichtungsbezogene Impfpflicht geregelt. Oder etwa doch nicht? Angesichts des unklaren Gesetzestextes stellten sich in den vergangenen Wochen immer mehr Betroffene, vor allem Arbeitgeber*Innen, die Frage, was zu tun sei: einfach abwarten oder proaktiv handeln?

Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kippte die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht; mit Beschluss vom 10.02.2022 hat der 1. Senat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (BVerfG, Beschluss vom 10.02.2022 – 1 BvR 2649/21).    Mit Blick auf den herannahenden Stichtag lagen dem BVerfG mehr als 70 Verfassungsbeschwerden vor; die Beschwerdeführer verfolgten das Ziel, die einrichtungsbezogene Impfpflicht außer Kraft zu setzen, mithin, diese noch „in letzter Minute“ zu verhindern. Mit der ablehnenden Entscheidung des BVerfG konnte die Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal (vorerst) umgesetzt werden, der erste Senat des BVerfG hat im Rahmen seiner Entscheidung im Eilverfahren eine Abwägung getroffen, die im Ergebnis zugunsten der zu schützenden vulnerablen Bevölkerungsgruppen ausgegangen ist. Nach Auffassung des BVerfG begegnete die Einführung der Nachweispflicht grundsätzlich keinen durchgreifenden Bedenken, jedoch bestanden Bedenken an der gewählten gesetzlichen Regelungstechnik einer doppelten dynamischen Verweisung. Die endgültige Entscheidung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Vorweg: Eine ganz wichtige Unterscheidung

20a IfSG wird irrtümlich mit einer Impflicht in Verbindung gebracht. Dass das nicht richtig ist, werden wir im nachfolgenden Abschnitt klären. Dennoch stimmt es, dass § 20a IfSG mittelbar dazu führt und auch ganz bestimmt nach dem Willen des Gesetzgebers dazu führen soll, dass sich Menschen, soweit bislang noch nicht geschehen, gegen das Coronavirus impfen lassen. Das betrifft einstweilen nur Personen, die bereits in einer der im Gesetz geregelten „Einrichtungen“ tätig sind (Näheres dazu, was eine solche „Einrichtung“ ist, enthält § 20a Abs. 1 IfSG). Sodann ist hinsichtlich der in einer Einrichtung tätigen Arbeitnehmer aber zu unterscheiden. Nämlich zwischen einem Arbeitnehmer, der schon vor dem 15. März tätig ist – nachfolgend auch „Alt-Arbeitnehmer“ genannt – und solchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die nach dem 15. März ihre Tätigkeit im Rahmen einer Neueinstellung beginnen werden, hier „Neu-Arbeitnehmer“ genannt. Letztere sind in der rechtlichen Handhabung einfacher zu beurteilen, diese dürfen ohne den durch das Gesetz geforderten Immunitätsnachweis in den benannten Einrichtungen nicht tätig werden. Das heißt konkret: Eine solche Person kann seit dem 15. März ohne einen ausreichenden Nachweis der Immunität nicht (neu) eingestellt werden.

Im Folgenden werden wir uns ausschließlich mit Alt-Arbeitnehmern befassen. Dort ist nämlich die rechtliche Beurteilung – anders als bei den Neu-Arbeitnehmern – in weiten Teilen unklar.

Es gibt gar keine Impfpflicht!

Es mutet an wie des Kaisers neue Kleider. Aber es ist wahr. Eine „echte“ Impfpflicht gibt es in Deutschland aktuell nicht. Der vielzitiere Gesetzestext, insbesondere § 20a IfSG, erwähnt das Wort „Impfpflicht“ folgerichtig nicht ein einziges Mal. Die Norm ist mit den Worten „Immunitätsnachweis gegen COVID-19“ überschrieben. Und das sagt schon alles. Nach § 20a IfSG ist niemand gezwungen, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Das fordert das Gesetz an keiner Stelle. Es mag sein, dass ein Ungeimpfter seit dem 16. März 2022 nicht mehr in bestimmten Einrichtungen tätig sein darf und seinen Vergütungsanspruch verliert, aber das steht auf einem anderen Blatt. Erst einmal bleibt festzuhalten: Eine Pflicht derjenigen, die etwa in einer Pflegeinrichtung, einer (Zahn-)Arztpraxis oder einem Krankenhaus tätig sind, sich bis zu einem bestimmten Datum impfen zu lassen, gibt es nicht! Und einen Impfzwang postuliert das Gesetz schon mal gar nicht. Niemand muss befürchten, dass er gegen seinen Willen, womöglich unter Anwendung körperlichen Zwangs geimpft wird. Anderslautende Gerüchte sind reine Stimmungsmache aus gewöhnlich schlecht informierenden Kreisen.

Was sieht das Gesetz vor?

  • 20a IfSG sieht vor, dass „Personen“, also Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber(!), bis zum Ablauf des 15. März 2022 über einen gültigen Immunitätsnachweis verfügen müssen. Wenn wir an dieser Stelle die sog. Kontraindikation, also die Unverträglichkeit einer Impfung gegen das Coronavirus einmal außen vor lassen, bleiben nur zwei Möglichkeiten, den geforderten Immunitätsnachweis zu erbringen: entweder eine vollständige Impfung gegen COVID-19 nachzuweisen oder einen Genesenennachweis zu erbringen. Wer als geimpft bzw. genesen sein anzuerkennen ist, ergibt sich recht einfach aus den Ausführungen des Robert Koch-Instituts auf dessen Website. Der verlangte Immunitätsnachweis muss bis zu dem besagten Datum „der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens“ vorgelegt worden sein. Ist der Nachweis nicht fristgemäß erfolgt, muss insbesondere der Arbeitgeber schnellstmöglich eine Mitteilung machen, und zwar grundsätzlich an die örtlich zuständige Gesundheitsbehörde. Die Nachricht an die Behörde hat die betreffenden Personen zu benennen, mithin sind – so sieht es das Gesetz ausdrücklich vor – personenbezogene Daten zu übermitteln, sodass die Behörde die Personen, die keinen oder einen nicht ausreichenden Nachweis erbracht haben, identifizieren kann. Im Anschluss daran wird die Behörde voraussichtlich die ihr bekannt gewordenen Personen auffordern, ihr gegenüber, also der Behörde gegenüber den geforderten Nachweis zu erbringen. Geschieht das nicht innerhalb einer angemessenen Frist, kann (nicht muss!) die Behörde der Person untersagen, die jeweilige Einrichtung zu betreten oder gar dort tätig zu werden. Gerichtliche Schritte gegen eine solche behördliche Anordnung haben keine aufschiebende Wirkung.

Was regelt das Gesetz nicht?

Soweit die Dinge wie im vorangehenden Abschnitt dargestellt noch einigermaßen nachvollziehbar aus dem Gesetzestext hervorgehen, bleiben eine ganze Reihe praxisrelevanter Fragen bedauerlicherweise ungeklärt:

Wie ist die Rechtslage seit dem 16.03.2022 hinsichtlich derjenigen Personen, die den geforderten Immunitätsnachweis nicht vorgelegt haben? Dürfen diese Menschen bis zum Ausspruch eines behördlichen  Betretungs- und Tätigkeitsverbots weiterarbeiten? Wenn nein, wie steht es um die an sich durch den Arbeitgeber geschuldete Vergütung? Drohen Strafen? Darf/muss der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen? Fragen über Fragen, die das Gesetz entweder gar nicht oder jedenfalls nicht eindeutig beantwortet.

Eine Pflicht zur Kündigung ungeimpfter Arbeitnehmer gibt es nicht!

  • 20a IfSG mag ein gutes Beispiel für ein schlecht gemachtes Gesetz sein. An einer Stelle muss man den Gesetzgeber aber in Schutz nehmen. Es kann nicht die Aufgabe des IfSG sein, darüber zu befinden, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber aus dem fehlenden Immunitätsnachweis eines oder mehrerer Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Konsequenzen zieht. Um es klar zu sagen: Das Gesetz schreibt keinem Arbeitgeber vor, ungeimpfte Arbeitnehmer zu kündigen, sondern verbietet lediglich die Einstellung eines (Neu-)Arbeitnehmers, der über keinen ausreichenden Immunitätsnachweis verfügt. Wie mit den Alt-Arbeitnehmern zu verfahren ist, lässt das Gesetz offen. Insbesondere gibt es keine „Kündigung nach Infektionsschutzgesetz“.

Können Alt-Arbeitnehmer über den 16. März 2022 hinaus zulässigerweise beschäftigt werden?

Insgesamt ist die Frage, wie wir die gesetzliche Regelung umsetzen, noch nicht abschließend beantwortet. Grundsätzlich handelt es sich beim IfSG um ein Bundesgesetz, welches durch die Länder umzusetzen ist, die Umsetzung steht nicht im Belieben des Einzelnen, auch wenn man seitens mancher Bundesländer entsprechende Verlautbarungen hören durfte.

Die wahrscheinlich alles entscheidende Frage ist die nach der gegebenenfalls auch nur vorübergehenden Weiterbeschäftigung von Alt-Arbeitnehmern nach dem 16. März. Und hier ist eines wiederum klar: Das Gesetz klärt diese Frage nicht! Nicht in § 20a IfSG und auch nicht in § 73 IfSG. § 73 IfSG befasst sich mit Bußgeldvorschriften, die im Zusammenhang mit Verstößen gegen das IfSG stehen. Auch insoweit lassen sich dem Gesetz eindeutige Antworten zu der aufgeworfenen Frage nicht entlocken. Wer bspw. im Internet recherchiert, wird widersprüchliche Antworten finden, was ein ziemlich sicherer Hinweis darauf ist, das jedenfalls der Gesetzeswortlaut (leider) nicht ergiebig ist. Damit muss die Frage rein rechtlich gesehen bis zu einer Klärung durch den Gesetzgeber oder auch durch angerufene Gerichte einstweilen unbeantwortet bleiben. Das gleiche gilt übrigens für die Frage, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den 16. März hinaus ohne Arbeitsleistung vergüten muss, wenn sich der Arbeitgeber entscheiden sollte, den Arbeitnehmer, der keinen Immunitätsnachweis eingereicht hat, (einstweilen) nicht weiter beschäftigen zu wollen.

Was heißt das Ganze für die Praxis? Was muss der Arbeitgeber jetzt tun?

Arbeitgeber benötigen jetzt ein Maximum an Rechtssicherheit. Das betrifft eventuell drohenden Bußgeldern auch etwaige Haftungsfragen für den Fall, dass es – ausgelöst durch ein Infektionsgeschehen im Betrieb oder Unternehmen – zu behördlichen Nachforschungen über die Hintergründe der Infektion kommen sollte. Daher unsere nachfolgend kurz zusammengefassten Praxistipps.

Tipp: Schreiben an die Gesundheitsbehörden am bzw. ab dem 16. März 2022

Die Bundesländer haben z.T. unterschiedliche Übergangsfristen etabliert sowie digitale Meldeportale, mittels derer die Meldung an das jeweils zuständige Gesundheitsamt weitergeleitet werden soll.

Arbeitgeber sollten demnach am 16. März 2022 entsprechend den gesetzlichen Vorgaben nach § 20a IfSG die zuständige Gesundheitsbehörde über diejenigen Personen informiert haben bzw. innerhalb der in den jeweiligen Bundesländern geltenden Übergangsfristen informieren, die keinen gültigen Immunitätsnachweis vorgelegt haben. Aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers zur Information der zuständigen Behörde sollten die personenbezogenen Daten der jeweiligen Arbeitnehmer explizit genannt werden. Dazu könnte beispielsweise wie folgt formuliert werden:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

unter Bezugnahme auf mein Schreiben vom __.__.____ [= Datum des vorangegangenen Schreibens – siehe oben Tipp Nr. 1] informiere ich Sie heute über die Personen, von denen mir kein Immunitätsnachweis nach § 20a IfSG vorliegt sowie über die Personen, deren vorgelegte Immunitätsnachweise ich anzweifele:

  1. ________________ [= personenbezogene Daten von Mitarbeiter X]
  2. ________________ [= personenbezogene Daten von Mitarbeiter Y]
  3. ________________ [= personenbezogene Daten von Mitarbeiter Z]
  4. …“

Weiterhin erbitte ich erneut einen Hinweis, wie ich mit den genannten Personen verfahren soll. Darf ich die Personen weiter beschäftigen, bis Sie zu einem Entschluss über ein etwaig auszusprechenden Betretungs- und Beschäftigungsverbot gekommen sind? Ich bitte um eine schnellstmögliche Antwort, das auch vor dem Hintergrund etwaig bestehender Infektionsrisiken. Vielen Dank für Ihre geschätzten Informationen.

Mit freundlichen Grüßen“

Ob der Arbeitgeber wirklich ein Recht zur unbezahlten Freistellung seiner ungeimpften Arbeitnehmer hat, ist leider aus den erwähnten Gründen aktuell unsicher. Gleiches gilt für eine etwaig auszusprechende Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Viele klagen über akuten Personalmangel, der durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht noch verstärkt wurde und wollen stattdessen ukrainische Flüchtlinge beschäftigen. Ist das eine Lösung?

Grundsätzlich dürfen ukrainische Flüchtlinge in Deutschland arbeiten, sofern sie neben einer Aufenthaltsgenehmigung auch eine Arbeitserlaubnis haben. Hier gilt aber zu beachten, dass die Berufe im Gesundheitswesen grundsätzlich reglementiert sind, d.h. ggf. bedarf es im Einzelfall der vorherigen Einleitung eines Anerkennungsverfahrens, ob die Berufs-qualifikation gleichwertig mit der deutschen Berufsqualifikation ist.

Weitere Voraussetzung wäre (neben der entsprechenden sprachlichen Qualifikation), dass die ukrainischen Mitarbeiter*Innen gleichfalls bei Einstellung den Immunitätsnachweis nach § 20a IfSG vorlegen.

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Autor(en)


Katrin-C. Beyer, LL.M.
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht

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Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt

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