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Eckdatenstudie Physiotherapie – „Die Affinität zur Digitalisierung muss steigen!“

Christoph Soldanski im Interview zu den Ergebnissen der 1. Eckdatenstudie Physiotherapie 2023
Aktuelles
06.06.2023

Eckdatenstudie Physiotherapie – „Die Affinität zur Digitalisierung muss steigen!“

Christoph Soldanski im Interview zu den Ergebnissen der 1. Eckdatenstudie Physiotherapie 2023

Es ist die erste Studie, die sich ausschließlich mit wirtschaftlichen Fragen von Physiotherapieeinrichtungen in Deutschland befasst und damit der Branche und potenziellen Investoren wichtige Kennzahlen über den Status Quo liefert. ETL ADVISION, Deutschlands größte Steuerberatungsgruppe für Gesundheit, und der Verlag für Prävention & Gesundheit GmbH mit seinem Medium TT-DIGI haben in der ersten Eckdatenstudie Physiotherapie 2023 acht Kategorien unter die Lupe genommen. Unter anderem: Rechtsform und Räumlichkeiten, Selbstzahlerbereich, Mitarbeitende, wirtschaftlichen Situation und Digitalisierung. Christoph Soldanski, Branchenleitung Heilmittel und Sonstige Leistungserbringer, spricht mit uns über die wichtigsten Ergebnisse der Studie und zeigt, wo es noch Handlungsbedarf gibt.


Was macht die erste Eckdatenstudie Physiotherapie so besonders? Warum sollte sie gelesen werden?

Die erste Eckdatenstudie Physiotherapie ist etwas Besonderes, weil es die Fragen und die Aspekte der Wirtschaftlichkeit in den Physiotherapiepraxen, die wir untersucht haben, so noch nicht gibt. Wir betreten also ein absolutes Neuland. Wir sind überzeugt, dass es die Kenntnisse und Kennzahlen braucht, um eine Praxis wirtschaftlich zu betreiben oder zu optimieren. Schon am ersten Tag nach der Veröffentlichung haben wir gemerkt, dass die Ergebnisse eine hohe Relevanz für die Öffentlichkeit in sich bergen.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erkenntnisse der Studie?
Wir zeigen mit der Studie, wie Praxen neues Personal ansprechen. Zugleich liefern wir Hinweise auf das Einstiegsgehalt und die Personalstruktur. Die Studie offenbart, dass etwa 63 Prozent der Praxen ein Einstiegsbruttogehalt von 2.500 Euro bis 2.999 Euro zahlen und die Mehrheit mit 73 Prozent der Mitarbeitenden weiblich ist.
Bezüglich des Umsatzes haben wir herausgefunden, dass eine Praxis durchschnittlich einen Bruttojahresumsatz von 241.844 Euro oder anders ausgedrückt 43.186 Euro je Mitarbeitenden erwirtschaftet. Der Umsatz pro Mitarbeiter ist viel zu niedrig, die Umsatzsumme insgesamt ist jedoch sehr zufriedenstellend.

Deckt Ihre Studie Schwachstellen auf?
Definitiv. Die Digitalisierung ist das Problemkind der Praxen. Ab Juli 2026 müssen sich die Praxen verpflichtend an die Telematikinfrastruktur anschließen. Die Interessenlage ist noch sehr dürftig. 2026 scheint für viele noch in weiter Ferne zu liegen. Das kann aus meiner Sicht sehr gefährlich werden. Wenn die Verpflichtung näher rückt, fehlt die Zeit, um die Telematik vernünftig einzuführen und es droht eine Überforderung.

Ein wichtiges Thema hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit ist die Praxisstruktur und -organisation sowie die Mitarbeiteranzahl und die Arbeitszeiten. Welche Ergebnisse liefert die Studie dahingehend?
Spannend ist, dass diese Faktoren miteinander zusammenhängen. Beispiel Öffnungszeiten: Wenn ich die Selbstzahlerleistungen außerhalb der normalen Therapien anbiete, wirkt sich das auf die Öffnungszeiten aus. Der Praxisbetrieb startet morgens zwischen 7:00 Uhr und 8:00 Uhr und geht bis 18:00 Uhr oder 20:00 Uhr. Möchte eine Praxis diese Öffnungszeiten sicherstellen, braucht sie Personal. Das muss dafür begeistert werden, zu flexibleren Zeiten zu arbeiten. Die längeren Öffnungszeiten sind für Physiotherapieeinrichtungen noch relativ neu. Für die Patienten ist das natürlich ein tolles Angebot.

Welche Maßnahmen werden für die Personalbindung vorgenommen?
In der Branche müssen Praxen um ihr Bestandspersonal kämpfen und neues Personal gewinnen. Dafür muss die Praxis lukrativ sein. Deswegen haben wir die Benefits abgefragt. Etwa 88 Prozent bieten ihren Mitarbeitenden Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten an. Das ist eindeutig noch das beliebteste Mittel für die Mitarbeiterbindung. Danach folgen mit 51,3 Prozent die Gutscheinausgabe und mit knapp 51 Prozent die Option der Altersvorsorge.

Über die wirtschaftliche Lage der Praxen in Deutschland sagt die Mehrheit der Befragten, dass die Lage gut bis sehr gut ist. Wie erklären Sie sich die gute Einschätzung und wie wirkt sich das auf die geplanten Investitionen aus?
Die positive Stimmung resultiert auch aus dem höheren Gebührenanteil der Krankenkassen. Dieser ist weiterhin sehr hoch und liegt im Durchschnitt zwischen 70 Prozent und 80 Prozent des Gesamtumsatzes einer Physiotherapiepraxis. Die Einrichtungen bekommen also mehr Geld und haben Investitionsvolumen zur Hand. Eine Situation, die es vorher nicht gab. Es stellt sich also die Frage, was macht man damit? Ein Teil des Geldes fließt in die Lohnerhöhung, ein Teil in die Zukunftsfähigkeit. Finanzielle Mittel werden also für die Therapieangebote, die Räumlichkeiten und für die Ausstattung im Bereich der IT ausgegeben.

In Bezug auf die Investitionen wurden die geplanten Ausgaben für 2023 erfragt. Die knappe Mehrheit will in Fort-, Aus- und Weiterbildung investieren, nur ein geringer Teil in das Marketing. Woher kommt diese Differenz?
Physiotherapeuten sind Heiler und Helfer. Bilden sie sich auf ihrem Gebiet weiter, gehen sie ihrer Leidenschaft nach. Marketing ist das komplette Gegenteil davon. Wirtschaftliches Denken und positive Vermarktung, dafür begeistern sich nur wenige Therapeuten.

Nischenthema Digitalisierung: Die Studie zeigt, dass die Digitalisierung zwar in der Softwareanwendung etabliert ist, die Praxen aber bei weiteren Investitionen in die Digitalisierung noch gehemmt sind. Wie erklären Sie sich die Zurückhaltung in dem Bereich?
Dass 81 Prozent der Praxen eine Software nutzen, sehe ich gar nicht so positiv. Das heißt im Umkehrschluss, dass jede fünfte Praxis gar keine Software nutzt. Die Zurückhaltung ergibt sich ähnlich wie das Marketing auch aus der Affinität. Sie ist einfach nicht da und der Fokus liegt auf der Therapie, nicht auf der Digitalisierung. Die Praxen verspüren einfach noch keinen Druck durch den Gesetzgeber. Der kommt aber spätestens 2026.

Der Name erste Eckdatenstudie lässt vermuten, dass es noch weitere geben wird. Was ist in Zukunft dahingehend geplant?

Die Studie wird in den kommenden Jahren fortgeführt und auch in Bezug auf die Themen und Fragestellungen angepasst. Die Ergebnisse präsentieren wir in der Publikation und auf der Homepage.

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