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4 Themen – 4 Wochen: Das Sommerinterview mit Benjamin Hummel

Teil 3: Ökologie und Ökonomie – ein schwieriger Spagat
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12.09.2022 — zuletzt aktualisiert: 22.09.2022

4 Themen – 4 Wochen: Das Sommerinterview mit Benjamin Hummel

Teil 3: Ökologie und Ökonomie – ein schwieriger Spagat

Extremwetterereignisse, exorbitant steigende Energiepreise und Lieferengpässe bei unverzichtbaren Gütern: All das trifft die Land- und Forstwirtschaft mitten im ohnehin anspruchsvollen Spagat zwischen ökonomischen Anforderungen und einer ökologischen Transformation. Zudem müssen sich Land- und Forstwirte dieses Jahr zusätzlich mit neuen bürokratischen Hürden, wie der GAP-Reform und der Grundsteuerreform, herumschlagen.

In der ersten Folge der vierteiligen Interviewreihe „4-Themen – 4 Wochen. Das Sommerinterview“ sprachen wir mit Benjamin Hummel, Leiter ETL Agrar & Forst, über die Auswirkungen des Hitzesommers, der Waldbrände und Dürre für die Branche. Im zweiten Teil widmeten wir uns den steigenden Preisen und wollten von ihm wissen, was insbesondere kleinere Betriebe tun können, um auch in Zukunft erfolgreich zu wirtschaften. Im nun folgenden dritten Teil der Interviewreihe wagen wir den schwierigen Spagat zwischen Ökonomie und Ökologie und fragen nach, wie die Branchenspezialisten von ETL Agrar & Forst den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Mandanten in Zeiten des Wandels sichern helfen.

Wir haben es ja neulich schon angerissen. Die derzeitigen Krisenphänomene kommen für die Landwirtschaft sicher zur Unzeit. Dennoch kann und muss einen erheblichen Beitrag in Sachen ökologischer Transformation leisten. Das weiß auch die Bundesregierung, nach deren Plänen bis 2030 30 Prozent der deutschen Landwirtschaft auf Bioproduktion umgestellt sein sollen. Ist dieses Ziel dann angesichts drohender Versorgungsengpässe und steigender Preise haltbar?
Ich halte dieses Vorhaben mittlerweile nicht mehr für realistisch. Ein Hauptfaktor dafür liegt sicher in den derzeitigen und in den noch zu erwartenden Versorgungsengpässen im Zuge des Krieges in der Ukraine. Die sinkenden Exporte sorgen bereits jetzt für politische Maßnahmen hierzulande und in der gesamten EU, um die heimische Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse hochzufahren. Denken wir nur an die nun beschlossene Aussetzung der GAP-Reform. Der Ernteertrag aus Ökolandbau ist generell geringer als der in der konventionellen Landwirtschaft. Weshalb ich das von dir angesprochene Ziel für nicht mehr zeitgemäß erachte. Die GAP-Reform in ihrer jetzigen Ausgestaltung trägt ja aus ökologischer Sicht in sich auch einen Widerspruch, indem sie ökologische Landwirtschaft in gewissen Punkten schlechter zu stellen scheint als konventionelle. Dies geschieht über die sogenannte freiwillige Ökoregelung, nach der ein Landwirt eine Förderung in Anspruch nehmen kann, wenn er zum Beispiel auf Teilflächen seines Betriebes auf die Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel verzichtet. Diese Förderung bekommen allerdings dementsprechend nur konventionell wirtschaftende Landwirte, was momentan dazu führt, den Anreiz auf Öko-Landwirtschaft umzustellen, eher noch zu bremsen.

Nun werden Stimmen lauter, die fordern, in Sachen Umbau der Landwirtschaft zurückzurudern. Ist das wirklich der richtige Weg angesichts der Rolle, die die Landwirtschaft beim Kampf gegen die Folgen des Klimawandels spielen muss?
Nein. Das Umdenken und der Wandel innerhalb der Branche hin zu einer ökologischeren Landwirtschaft werden weiter stattfinden. Allerdings warne ich davor, eine moralisch aufgeladene Schwarz-weiß-Debatte zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft zu führen. Die Wahrheit liegt hier – wie so oft – in der Mitte. Ein Stichwort lautet „regenerative Landwirtschaft“: Ein Konzept, das mit dem, was klassischerweise unter ökologischer Landwirtschaft verstanden wird, gar nicht so deckungsgleich ist wie man zunächst meinen würde. Bei regenerativer Landwirtschaft geht es natürlich auch darum, auf synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel nach Möglichkeit zu verzichten. Allerdings liegt der Fokus mehr darauf, durch eine geschickt durchdachte Fruchtfolge Synergien zu schaffen. Wenn also beispielsweise Mais mit Stangenbohnen kombiniert wird, entsteht in der Kombination eine Win-win-Situation für beide „pflanzliche Partner“, die dazu führt, dass weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden müssen. Neben der regenerativen Landwirtschaft sehe ich die allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes – eine Kombination von Verfahren, bei denen unter vorrangiger Berücksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß beschränkt wird – als potenzielles Leitbild, dem die Politik mehr Aufmerksamkeit (und finanzielle Unterstützung) zukommen lassen sollte.
Ökologische und konventionelle Landwirtschaft haben zudem ein gemeinsames Problem: Wasser. Wir müssen sehr effizient mit diesem Gut umgehen. Damit beschäftigt sich die regenerative Landwirtschaft intensiv, sei es durch Humusaufbau, Begleitkulturen oder Mulchauflagen, die gezielt Wasserverluste im Boden begrenzen. Es geht also darum, Kompromisse zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft zu finden und wissenschaftliche Erkenntnisse für neue Modelle und Methoden voll auszuschöpfen. Die moralisch aufgeheizte gesellschaftliche Schwarz-weiß-Debatte, die wir momentan führen, ist der Realität unangemessen. Hier wäre mehr Sachlichkeit wünschenswert.

Die Debatte um den Spagat zwischen Ökologie und Ökonomie lässt sich exemplarisch am Beispiel GAP-Reform nachvollziehen. Nach den Zielen der europäischen Agrarpolitik sollten ab 2023 demnach mindestens vier Prozent der Ackerflächen stillgelegt werden. Nun aber haben die Agrarminister von Bund und Ländern in einer Sonder-Agrarministerkonferenz beschlossen, das Vorhaben zunächst auf Eis zu legen. Auch die EU-Kommission will die Umweltregeln vorerst lockern. Wie kommt die Nachricht in der Branche an?
Wir können hier einen deutlichen Unterschied feststellen, der vor allem mit der Beschaffenheit der regionalen Böden und dessen Kosten korreliert. Dort wo wir gute Böden oder sehr hohe Bodenpreise haben, wie vor allen in weiten Teilen der alten Bundesländer, wäre es für die Landwirte nicht sinnvoll gewesen, teuren bzw. produktiven Acker stillzulegen. Denn darauf hätten sie hochwertige Lebensmittel produzieren können. Für sie ist diese Nachricht der ausgesetzten GAP-Regelung natürlich ein Grund zur Erleichterung. In Regionen mit eher schlechten, weil sandigen, Böden, in Brandenburg beispielsweise, hätten die Landwirte vermutlich eher vier Prozent ihrer Flächen stilllegen können und die damit verbundene Entschädigung gerne genommen. Grundsätzlich halte ich Stilllegungen für kein Allheilmittel bei der ökologischen Transformation.

Was kann die Politik stattdessen tun, um der Landwirtschaft bei der ökol. Transformation unter die Arme zu greifen?
Deutlich sinnvoller wäre es, gezielte Stilllegungsmaßnahmen mit beispielsweise die Biodiversität fördernden Aufwuchsmischungen zu kombinieren. Und zwar nicht nur über den relativ kurzen Zeitraum von einem Jahr. Zudem fehlt es der Branche vor allem an einem: Klarheit und Planungssicherheit. Die Landwirtschaft muss ihre Prozesse sehr lange im Voraus planen können. Allerdings verändern sich derzeit die politischen Rahmenbedingungen in einem rasanten Tempo. Viele Landwirte fühlen sich alleingelassen. Und auch staatlich gelistete Berater, wie ich es auch bin, sind an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt. Ihnen ist derzeit fast nur eine Schadensbegrenzung möglich. Doch wer sich nicht oder zu spät mit den Herausforderungen durch die neue GAP beschäftigt, verliert wertvolle Fördermittel. Das sorgt für unnötigen Frust!

Im Sommer sorgten teils gewaltsame Bauernproteste in den Niederlanden für Schlagzeilen. Ist so eine Situation hierzulande vorstellbar?

Nein. Eine solche Eskalation scheint mir die Lage bei uns noch nicht herzugeben. Zweifellos ist die Unsicherheit innerhalb der Branche aber auch in Deutschland groß und Zukunftsängste greifen um sich. An medienwirksame Bauerndemonstrationen, etwa an der Siegessäule in Berlin, wird man sich daher gewöhnen müssen, solange sich an der allgemeinen Situation nichts ändert. Eine bessere fachliche Begleitung der Politik hinsichtlich ihrer Förderprogramme für eine regionale Landwirtschaft wäre da schon ein Anfang, die Unzufriedenheit einzudämmen.

Welche Möglichkeiten habt ihr als spezialisierte Steuerberater von ETL Agrar & Forst, um euren Mandanten zu helfen, den angesprochenen Spagat zwischen Ökologie und Ökonomie zu meistern?
Unsere Kernaufgabe als spezialisierte Berater der Branche ist es, immer auf dem aktuellsten Stand der rechtlichen Verordnungen zu bleiben und diese in die Beratung einfließen zu lassen. Denn wer sich als Land- und Forstwirt der ökologischen Transformation nicht verschließt und in Zukunft dennoch erfolgreich wirtschaften möchte, der muss jetzt die Weichen stellen und Entscheidungen treffen.
Als Berater sagen wir den Landwirten: Es ist für euch wichtiger denn je, eure Fruchtfolge auch fördertechnisch zu optimieren. Denn mit der GAP-Reform kommt eine Vielzahl an Neuheiten. Die große Auswahl an sogenannten freiwilligen Ökoregelungen macht es schwer, den Überblick über die einzelnen Maßnahmen zu behalten. Wir von ETL Agrar & Forst können mit unserer Erfahrung, unserem Know-how und unseren Möglichkeiten unsere Mandanten an die Hand nehmen und seinen ökonomischen Erfolg vordenken. Etwa, indem wir gemeinsam seinen Anbauplan besprechen und so optimieren, dass für ihn am meisten Förderung daraus resultiert. Dabei liegt unser Hauptaugenmerk natürlich auf den ökonomischen Kennziffern unserer Mandanten, gleichwohl wissen wir um die Bedeutung und die Chancen der ökologischen Transformation der Branche für den Einzelnen.

4 Themen – 4 Wochen: Das Sommerinterview mit Benjamin Hummel

Teil 1: Trockenheit und Waldbrände
Teil 2: Steigende Preise, schlechtere Versorgung?
Teil 4: Die Grundsteuerreform – Bürokratie zur Unzeit

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