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4 Themen – 4 Wochen: Das Sommerinterview mit Benjamin Hummel

Teil 1: Trockenheit und Waldbrände
4 Themen – 4 Wochen: Das Sommerinterview mit Benjamin Hummel
Aktuelles
23.08.2022 — zuletzt aktualisiert: 22.09.2022

4 Themen – 4 Wochen: Das Sommerinterview mit Benjamin Hummel

Teil 1: Trockenheit und Waldbrände

Waldbrände, Dürren, Extremwetterereignisse: Der Sommer 2022 stellt Menschen, Tiere und Natur vor eine außergewöhnliche Belastungsprobe. Die Folgen bedeuten auch und insbesondere für die Land- und Forstwirtschaft eine enorme Herausforderung. Hinzu kommen exorbitant steigende Kraftstoffpreise und Lieferengpässe von Gütern wie Saatgut, Futtermittel, Düngemittel. All das trifft die Branche mitten im ohnehin anspruchsvollen Spagat zwischen ökonomischen Anforderungen und einer ökologischen Transformation. Und als wäre das alles nicht genug, müssen sich Land- und Forstwirte dieses Jahr zusätzlich mit bürokratischen Hürden, wie der GAP-Reform und der Grundsteuerreform, herumschlagen. Viel zu tun also für eine Branche, von deren Abläufen und Erträgen eine ganze Gesellschaft abhängig ist.

Wie all diese Entwicklungen und Herausforderungen ineinandergreifen, welche Auswirkungen sie auf Land- und Forstwirtschaft in Deutschland haben, auf welche Strategien Betroffene nun zurückgreifen können und welche Weichenstellungen von der Politik erwartet werden, darüber sprechen wir mit Benjamin Hummel, Leiter ETL Agrar & Forst, bei „4-Themen – 4 Wochen. Das Sommerinterview“.

Die Menschen in Deutschland ächzen unter einem außergewöhnlichen Hitzesommer – die Wälder brennen, zuletzt in der sächsischen Schweiz, im Harz und in Brandenburg. Der aktuelle Waldbrand-Gefahrenindex WBI des Deutschen Wetterdienstes zeichnet ein alarmierendes Bild. Noch alarmierender ist der Blick auf den UFZ-Dürremonitor der Helmholtz Klimainitiative, der für weite Teile Deutschlands nicht nur eine extreme, sondern „außergewöhnliche Dürre“ diagnostiziert. Was ist hier eigentlich los?
In der Historie gab es schon Dürrejahre und Hitzesommer hintereinander. Aber darauf folgte in der Regel immer wieder ein Regenjahr oder ein schneereicher Winter, welche der Natur die Möglichkeit gegeben haben, sich zu erholen. Das fehlt aber vielerorts seit mittlerweile vier Jahren. Das Problem sind die trockenen Böden, insbesondere im Osten des Landes, wo kaum Lehm- sondern vielmehr Sandböden vorherrschend sind, die kaum Wasserspeichervermögen haben. Ähnliches gilt für die Wälder. Es gibt eine sogenannte nutzbare Feldkapazität, welche die Fähigkeit des Bodens, Wasser zu halten, definiert. Diese Kapazitäten sind dramatisch gesunken und werden momentan auch nicht wieder aufgefüllt, weil auch die Winter milder bzw. niederschlagsärmer werden. Das Problem besteht also nicht in einem oder zwei Dürresommern, sondern das die Niederschlagsmengen das ganze Jahr über gering ausfallen. Wenn es mal regnet, dann kommen häufig mit einem Mal in kurzer Zeit solche Mengen herunter, dass die Böden das gar nicht aufnehmen können. Bodenerosionen oder Überschwemmungen sind die unangenehmen Folgen. So summiert sich das Problem immer weiter auf und zwar global, wie uns ein Blick nach Westeuropa oder in die USA zeigt. Bei Wäldern kommt Befall mit Schädlingen wie dem Borkenkäfer hinzu, welcher es in den unter Trockenstress leidenden Baumbeständen zunehmend leicht hat sich zu vermehren. Das fördert zusätzlich die Brandgefahr. So sind wir momentan mit einer ernst zu nehmenden Gefahr für das gesamte Ökosystem konfrontiert.

Wo liegt die Ursache dessen?
Man kann sich natürlich auf Ursachenforschung begeben und wird zuerst auf den Klimawandel treffen, dessen Folgen sich meiner Meinung nach nicht mehr von der Hand weisen lassen, besonders wenn man die globalen Ereignisse betrachtet.

Wie überraschend kommt diese Entwicklung und was bedeutet das für die Land- und Forstwirtschaft?
Eine Überraschung ist es ehrlich gesagt nicht, aber natürlich ein riesiges Problem. Für die Forstwirtschaft bedeutet das etwa: niedergebrannte Wälder müssen aufgeforstet werden. Doch im Gegensatz zu adulten Bäumen besitzen die neu gepflanzten noch kein so tiefes und breites Wurzelwerk. Es braucht also teures Pflanzenmaterial, doch wenn kein Wasser da ist, dann geht auch das ein.
Die Landwirte mussten sich, salopp gesagt, an solche Extremwetterereignisse gewöhnen. Darauf konnten sie also ein stückweit vorbereitet sein. Kalt erwischt hat viele sicherlich die Erhöhung der Preise bei elementaren Gütern. Dass z. B. Dünger, Pflanzenschutzmittel und Treibstoff infolge des Ukraine-Kriegs unermesslich teuer wurden, war so nicht abzusehen vor einem Jahr. Gleichzeitig wirken die üblichen Mechanismen der Marktwirtschaft. Getreide ist knapp und der Transport aus der Ukraine unsicher, also konnten sich diejenigen hiesigen Landwirte mit guter Ernte über entsprechende Erlöse freuen.

Waren die Land- und Forstwirte auf einen solchen Sommer vorbereitet? Und wie schützen sich die Akteure?
Viele Landwirte standen Anfang August bereits vor der Abwägung, ob sie den vertrockneten Mais jetzt (Not-)ernten. Es gibt natürlich qualitative Anforderungen an den Mais, der dann wiederum etwa als Futtermittel für Rinder zum Einsatz kommt. Normalerweise wird Mais frühestens Ende August, Anfang September, stellenweise gar erst im Oktober geerntet. Nun müssen Landwirte angesichts der anhaltenden Dürre und Hitze diesen Prozess vorziehen, um zu retten, was noch zu retten ist. Das wirkt sich auch auf die Rinderhaltung aus. Können diese nicht wie geplant ernährt werden, muss sich so mancher Landwirt überlegen, die Anzahl seiner Tiere zu reduzieren.
Eine andere Sache ist die Brandprävention: Insbesondere beim Drusch von Getreide oder der Werbung von Stroh ist die Brandgefahr besonders hoch. Um im Ernstfall eingreifen zu können, ist die Mitführung von Wasserwagen oder schwerer Technik und das Ziehen von Schneisen aus der Praxis längst nicht mehr wegzudenken.

Welche langfristigen Konsequenzen haben die Begleiterscheinungen des Klimawandels für die Land- und Forstwirtschaft in Deutschland?
Natürlich setzt sich die Branche mit dem Thema Klimawandel und Extremwetterereignissen schon lange auseinander und zieht entsprechende Schlussfolgerungen für die Zukunft. Eine Variable ist die Pflanzenzüchtung. Hierbei werden die Nutzpflanzen gezielt hinsichtlich ihrer Hitzeresistenz und Trockenheitstoleranz selektiert. In der Vergangenheit lag da der Fokus noch viel mehr rein auf Ertrag und Krankheitstoleranz, doch nun werden die oben geschilderten Merkmale unumgänglich.
Ein weiteres Thema für Landwirte ist die Sortenwahl. Sie müssen sich überlegen, was bei wärmeren Durchschnittstemperaturen überhaupt noch gewinnbringend anbaufähig ist. Kartoffeln z. B. sind zwar von unseren Speiseplänen kaum wegzudenken, ihr Anbau ist jedoch unter diesen klimatischen Begebenheiten, wie wir sie in den letzten Jahren erleben, sehr teuer und aufwendig. Allein die Beschaffung des Saatguts wird schwieriger.
Innovative Betriebe denken nun um und setzen zum Teil auf Früchte, die traditionell eigentlich auf anderen Kontinenten heimisch sind, aber gegenüber extremer Trockenheit eine stärkere Toleranz aufweisen – Kichererbsen, Quinoa, Soja usw. Auch Agroforstwirtschaft wird immer attraktiver, also ein Modell, bei dem Bäume oder Sträucher mit Ackerkulturen und/oder Tierhaltung kombiniert werden. Diese Versuche sind allerdings noch nicht gänzlich praxistauglich.

Und was kann/muss die Politik tun, um die verheerenden Folgen abzumildern?
Die Politik kann nicht dafür sorgen, dass es regnet. Das ist klar und das erwartet auch keiner. Der Schrei nach finanziellen Hilfen ist an dieser Stelle momentan auch noch nicht allzu laut. Im Fokus steht vielmehr die Erwartung der Branche, dass die Politik oben angesprochene innovative Modelle und Lösungen aktiv fördert. Denn derzeit können sich eigentlich nur große Betriebe Experimente mit nicht-heimischen Pflanzen wie Kichererbsen erlauben. So werden wir aber keine ökologische Transformation der gesamten Branche schaffen! Risikoabsicherung wäre also ein Schlagwort, das von der Politik erwartet wird.
Auf der anderen Seite ist eine zunehmende Frustration zu beobachten, dass in der Politik hinsichtlich der größten Baustellen gar keine Entscheidungen getroffen werden. Hier spiele ich schon auf die Grundsteuerreform und das Hin und Her bezüglich der GAP-Reform an. Statt dass die Landwirte sich angesichts der geschilderten Herausforderungen um ihre Kernaufgabe – die Versorgung der Gesellschaft mit Lebensmitteln – kümmern können, müssen sie in diesem Sommer viel Zeit und Energie in diese „Bürokratiemonster“ stecken. Ich höre bei weitem nicht nur von unseren Mandanten Ärger über diese „hausgemachten“ Probleme, die sie zusätzlich bremsen. Von Planungssicherheit, auf die Landwirte existenziell angewiesen sind, kann gerade im Zusammenhang mit der GAP-Reform keine Rede sein.

4 Themen – 4 Wochen: Das Sommerinterview mit Benjamin Hummel

Teil 2: Steigende Preise, schlechtere Versorgung?
Teil 3: Ökologie und Ökonomie – ein schwieriger Spagat
Teil 4: Die Grundsteuerreform – Bürokratie zur Unzeit

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