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Keine Durchschnittsbesteuerung für Veredelung von Reitpferden

Bundesfinanzhof gibt Finanzgericht Recht
Keine Durchschnittsbesteuerung für Veredelung von Reitpferden
Aktuelles
03.01.2024

Keine Durchschnittsbesteuerung für Veredelung von Reitpferden

Bundesfinanzhof gibt Finanzgericht Recht

Update: Der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung vom 13. September 2023 (XI R 37/22) die Revision gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts als unbegründet zurückgewiesen. Soweit Sport-, Turnier- oder Freizeitpferde im Rahmen der Erbringung sonstiger Leistungen an die Pferdehalter von Landwirten gehalten werden, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH weder der ermäßigte Steuersatz noch die Durchschnittssatzbesteuerung zur Anwendung, weil Sport- und Freizeitpferde kein „Vieh“ sind. Die Anwendung der EU-rechtlichen Regelungen zur Durchschnittssatzbesteuerung scheidet außerdem deshalb aus, weil der Kläger die reiterliche Ausbildung der Pferde nicht mit Mitteln ausübt, die normalerweise in land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden.

Urteil des Finanzgerichts

Landwirte können von einer umsatzsteuerlichen Sonderregelung profitieren: der sogenannten Durchschnittssatzbesteuerung. Dabei wird ein pauschaler Steuersatz von 9 Prozent (Steuersatz seit 1. Januar 2023) auf die Leistungen berechnet, der sogenannte Durchschnittssatz. Die vereinnahmte Umsatzsteuer müssen die pauschalierenden Landwirte nicht an das Finanzamt abführen, da sie in der gleichen Höhe einen pauschalen Vorsteuerabzug erhalten. Voraussetzung ist zudem, dass der Gesamtumsatz eines Unternehmers im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 Euro betragen hat. Doch nicht immer ist klar, ob der Durchschnittssteuersatz überhaupt angewendet werden kann.

Demnächst wird sich daher der Bundesfinanzhof (BFH) mit der Frage der Durchschnittsbesteuerung bei der Veredelung von Reitpferden befassen müssen. Denn zu dem kürzlich ergangenen Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 16. November 2022 (4 K 20/21) ist eine Revision anhängig (XI R 37/22). Fraglich war, ob die Wiederveräußerung eines zugekauften Reitpferdes – auch nach einer erheblichen Qualitätsverbesserung – eine Veräußerung eines eigenen landwirtschaftlichen Produktes darstellt, welches der Durchschnittsbesteuerung in der Umsatzsteuer unterliegt.

Regelsteuersatz auch bei Vorliegen der Voraussetzungen

Geklagt hatte der Betreiber einer Pferdezucht und eines Pferdehandels, der damit Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und aus Gewerbebetrieb erzielte. Der Kläger erwarb mehrfach junge Reitpferde, bildete diese zu international einsetzbaren Turnierpferden aus und verkaufte sie mit Gewinn weiter. Für die umsatzsteuerliche Behandlung wendete der Kläger die Durchschnittsbesteuerung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe an.

Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören. Dies war im vorliegenden Fall unstreitig gegeben.

Trotzdem versagte das Finanzamt und am Ende auch das Finanzgericht die Anwendung des Durchschnittssteuersatzes und besteuerte die Umsätze mit dem Regelsteuersatz von 19 Prozent. Die Begründung von Finanzamt und Finanzgericht: Die umsatzsteuerlichen Vorschriften zur Durchschnittsbesteuerung sind im Einklang mit EU-Recht, insbesondere der Mehrwertsteuersystemrichtlinie auszulegen. Diese verlangt jedoch für die Anwendung des Durchschnittssteuersatzes, dass die gelieferten Gegenstände von dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb selbst erzeugt wurden bzw. durch eine Verarbeitung entstanden sind. Zugekaufte Produkte seien nicht begünstigt.

Doch auch hier gibt es Ausnahmen. Ausnahmen gelten für zugekaufte Produkte, wenn durch die Verarbeitung ein Produkt anderer Marktgängigkeit entsteht und sich das Produkt so wesentlich und strukturell verändert hat, dass ein neues Produkt mit anderen Gebrauchsmöglichkeiten entstanden ist.

Qualitätserhöhung führt nicht zu anderer Marktgängigkeit

Das Finanzgericht hat im vorliegenden Fall jedoch das Vorliegen dieser Voraussetzungen verneint. Von der Annahme eines strukturell wesentlich veränderten – und damit „anderen“ – Produkts sei eine bloße Qualitätsveränderung zu unterscheiden. Die Veränderung einer Qualität führt zwar zu einer verbesserten Nutzbarkeit eines Produkts, wobei sich jedoch die Art der Nutzung strukturell nicht verändert hat und damit das Produkt seinen ursprünglichen Charakter beibehalten hat.

Die weitere Haltung und Ausbildung der vom Kläger erworbenen und später verkauften Reitpferde stellt nach Auffassung der Finanzrichter eine solche Qualitätsveränderung dar, die nicht als landwirtschaftliche Produktion eines anderen Produktes zu bewerten ist und damit nicht der Durchschnittsbesteuerung unterliegt. Wesentlich ist dabei die Annahme, dass die Pferde als Reitpferde – teilweise angeritten, teilweise sogar bereits als Pferde mit Turniererfahrung – erworben und später auch als Reitpferde veräußert wurden. Dabei ist dem Kläger zuzugestehen, dass die Pferde durch die Ausbildung erheblich verbesserte Fähigkeiten vermittelt bekommen haben. Auch wenn diese Veränderungen zu erheblichen Steigerungen des Marktwertes und zu besseren Platzierungen bei anspruchsvolleren – auch internationalen – Turnieren führten, ist darin aber keine strukturelle Veränderung der Nutzbarkeit zu sehen.

Tipp: Vor dem Hintergrund des anhängigen BFH-Verfahrens sollten entsprechende Umsatzsteuerbescheide offengehalten werden. Sprechen Sie uns an. Die Steuerberater von ETL Agrar & Forst unterstützen Sie gern.

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